Künstliche Intelligenz (KI) verändert unser Leben und macht auch nicht vor Unternehmen halt. Was im Privaten jedoch längst angekommen ist, wird in der industriellen Arbeitswelt immer noch zögerlich behandelt. Dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unternehmen wird ein großes Potenzial zugeschrieben, die Umsetzungen sind jedoch bislang nur vereinzelt erfolgt. Welche Hemmnisse bestehen und wie diese von Unternehmen angegangen werden können, zeigt das Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO in seiner aktuellen Studie „Künstliche Intelligenz in der Unternehmenspraxis“.
Immer schnellere und disruptive Veränderungen
Die Informations- und Kommunikationstechnik ist bereits seit Jahrzehnten ein wichtiger Treiber für Innovation und Wandel in Unternehmen aller Größen. In den letzten Jahren schaffte Industrie 4.0 durch die Vernetzung der Produktion und eine echtzeitnahe Datenverfügbarkeit die Grundlage für immer schnellere und disruptive Veränderungen. Autonome Systeme und Anwendungen Künstlicher Intelligenz stellen eine logische Weiterentwicklung dar. Als KI werden Systeme bezeichnet, die konkrete Anwendungsprobleme auf Basis von Methoden aus der Mathematik und Informatik lösen und dabei zur Selbstoptimierung fähig sind. Durch KI befähigen erste Leitanwender Maschinen, Roboter und Softwaresysteme dazu, abstrakt beschriebene Aufgaben und Probleme ohne konkrete Handlungsanweisungen durch den Menschen auszuführen.
Drei Viertel beschäftigen sich bereits mit KI
Die vom Fraunhofer IAO im Jahr 2019 durchgeführte Studie „Künstliche Intelligenz in der Unternehmenspraxis“ befragte mehr als 300 Unternehmen aller Branchen aus Deutschland, von denen rund zwei Drittel weniger als 2.500 Mitarbeitende haben. Die Studie zeigt, dass sich bereits drei Viertel der Unternehmen mit KI beschäftigen, was die enorme Bedeutung der Zukunftstechnologie untermauert. Im Gegensatz dazu setzen allerdings erst 16 Prozent der befragten Unternehmen konkrete KI-Anwendungen im Betrieb ein. Die größten Anwendungsfelder für KI liegen aktuell im Bereich der Daten- und Informationsextraktion sowie in den darauf aufbauenden Analysen und Prognosen. Auf dem Shopfloor finden sich daher aktuell vorrangig KI-Anwendungsfälle, die auf Maschinendaten basieren, um Prozesse zu beschleunigen und die Produktivität zu steigern.
Die häufigsten Anwendungen liegen im Bereich Predictive Maintenance und Predictive Quality. Lösungen, welche den Menschen in seiner täglichen Arbeit individuell unterstützen und ihn assistieren, sind heute noch wenig verbreitet. Das Potenzial dafür ist jedoch riesig: Augmented-Intelligence-Lösungen vergrößern die menschlichen kognitiven Fähigkeiten und ermöglichen eine dynamische Interaktion zwischen Mitarbeitenden und technischen Systemen, indem diese Entscheidungsprozesse vorbereiten und die Ausführung von Tätigkeiten optimieren.
Bei derartigen KI-Systemen spielt der Autonomiegrad eine große Rolle. Systeme, die ihre Aufgaben vollständig autonom ausführen und dazu noch selbstständig neue Tätigkeitsfelder für sich erschließen, sind heute noch kaum verbreitet (4 %). Ein Großteil der im Rahmen der Fraunhofer-Studie befragten Unternehmen gab an, dass ihre KI-Anwendung jedoch bereits teilweise autonome Entscheidungen trifft (53 %), oder dass die KI den Menschen lediglich bei Entscheidungen unterstützt (28 %).
Immense Potenziale, einige Hindernisse
Um die Einbindung der Mitarbeitenden in solche Humanin-the-loop-Systeme zielführend zu gestalten und auch die nötige Akzeptanz und das Vertrauen für eine erfolgreiche Nutzung zu erreichen, muss die KI für den Beschäftigten verständlich und nachvollziehbar sein. Laut der Studie verbessert sich vor allem die Entscheidungsqualität, und die Durchlauf- sowie Bearbeitungszeiten im Prozess sinken. Ferner steigen die Kundenzufriedenheit und die Qualität der Arbeitsergebnisse durch KI-Anwendungen. Zusätzlich erkennen Unternehmen verstärkt Potenziale, durch KI nicht nur ihre Prozesse zu verbessern, sondern auch neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Den immensen KI-Potenzialen für Unternehmen stehen allerdings auch einige Hindernisse gegenüber, die eine Einführung erschweren und dazu führen, dass Unternehmen den Schritt von der Beschäftigung mit KI-Themen hin zu konkreten Anwendungen oftmals noch nicht gewagt haben. Neben hohen Anforderungen beim Datenschutz und der erforderlichen Datenmenge, fehlen Unternehmen oftmals kompetente Mitarbeitende im eigenen Haus. Zudem sind nur maßgeschneiderte KI-Lösungen für Unternehmen zielführend, welche jedoch heute noch nicht in der Breite verfügbar sind. Und ähnlich wie vor Jahren bei der Einführung von Industrie 4.0 fehlen den Unternehmen gute betriebliche Einsatzbeispiele, an denen sie sich orientieren können. Um diese Hindernisse zu überwinden, empfiehlt das Fraunhofer IAO den Unternehmen in der Studie konkrete Maßnahmen für die Evaluation, Vorbereitung und Realisierung von KI-Projekten. Bei der Evaluierung sollen Unternehmen ihre individuellen KI-Anwendungspotenziale schnell und systematisch identifizieren. Dabei ist auch zu prüfen, ob neben KI nicht auch andere klassische oder digitale Lösungen zielführend sind. KI ist eine Schlüsseltechnologie von enormer Bedeutung, aber kein universelles Wundermittel.
Es ist dabei für Unternehmen empfehlenswert, zunächst bei den Prozessverbesserungen zu beginnen, dann aber auch den Blick auf die Etablierung neuer KI-gestützter Geschäftsmodelle zu richten. Wichtig dabei: Informationen sollten von anbieterunabhängigen Partnern eingeholt werden, um eine fundierte Entscheidung über den zukünftigen Einsatz von KI-Technologien zu treffen. Für die Vorbereitung der KI-Einführung ist es erforderlich, von Beginn an in Business Cases zu denken und sich von bereits umgesetzten KI-Anwendungsfällen anderer Unternehmen inspirieren zu lassen, ohne jedoch kurzgedacht zu kopieren. Vielmehr sollten Unternehmen ein eigenes KI-Zielbild aufbauen. Hierzu sind die Einbeziehung interner Domänen-Experten der betroffenen Bereiche und der Aufbau eigenen KI-Wissens von großer Bedeutung. Daneben ist das frühzeitige Schaffen von Transparenz und die Kommunikation von Chancen sowie Gefahren im Betrieb entscheidend. Die Verbesserung von Prozessen im Unternehmen sollte bei der Realisierung stets im Fokus stehen und Anwendungen dann Schritt für Schritt implementiert werden. Breit aufgestellte Projektteams, die neben Spezialisten aus den Domänenund KI-Experten auch die Arbeitnehmervertretung umfassen, erweisen sich als geeignet.
Produktionsunternehmen empfiehlt das Fraunhofer IAO, zunächst mit maschinenbezogenen Lösungen zu starten. Für diese Anwendungen stehen oftmals zugängliche Daten zur Verfügung, und die Unternehmen können erste eigene Expertise aufbauen, bevor sie in weiteren Schritten sukzessive auch mitarbeiterbezogene Daten in KI-Lösungen einfließen lassen. Die Schritte vom ersten Erkennen von KI-Potenzialen hin zu einer erfolgreichen Umsetzung stellen Unternehmen vor konkrete Herausforderungen. Um diese zu lösen, organisiert das Fraunhofer IAO ein neues Innovationsnetzwerk, das Unternehmen einen systematischen Einstieg in die KI-Nutzung bietet. In dem ab Herbst 2019 startenden „Innovationsnetzwerk Menschenzentrierte KI in der Produktion“ entwickeln Unternehmen gemeinsam mit den Fraunhofer-Forscherinnen und -Forschern menschzentrierte KI-Anwendungsfälle, pragmatische Methoden zur Potenzialanalyse sowie innovative Gestaltungsmethoden und Vorgehensweisen für die Implementierung von KI in der Produktion. Die Partner gestalten ferner ein Schulungskonzept, um ihre Mitarbeitenden hinsichtlich KI zu qualifizieren. So erreichen die Netzwerkpartner einen weiteren in der Studie als relevant identifizierten Mehrwert von KI: Die Steigerung des Arbeitgeberimages als innovatives Unternehmen und die Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland.
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